Erlöserkirche, historisches Wahrzeichen von Hiltrop
Bei der Wegbeschreibung zum Ortsteil Hiltrop wird – aus allen Richtungen kommend – die 90- jährige Erlöserkirche mit ihrem weit sichtbaren Turm als zentrales Merkmal genannt und erkannt werden. Auf einer Anhöhe gelegen ein markanter Orientierungspunkt. Deutlich wird dies auch durch die Bus-Haltestellen „Hiltrop Kirche“, an denen sich die 5 Buslinien – 333, 344, 353, 366 und 367 – in Richtung Castrop, Herne, Einkaufszentrum, Stadtmitte und BO-Riemke kreuzen.
Weitaus älter ist die Geschichte um Hiltrop.
Ausgrabungsfunde beim Bau von Bergbausiedlungen um 1950 weisen auf die Zeit von ca. 4000 v. Ch. hin, auf die Rössler Kultur (eine Kultur in Mitteleuropa der mittleren Jungsteinzeit 4500–4300 v. Chr. Sie ist nach dem Gräberfeld von Rössen in Sachsen-Anhalt benannt).
Erstmalig wird im 13. Jahrhundert der Name Hiltrop als „Hildorppe“ erwähnt. Er könnte auf die vielfachen, heilenden Wasserquellen oder auf die Hügellage bzw. die Hellwegnähe hinweisen.
Vor der Eingliederung 1929 in die Stadt Bochum gehörte Hiltrop bis 1897 zum Amtsbezirk Herne, dann zum Amt Baukau und 1902 zum Amt Harpen.
Die Industrialisierung begann Ende des 18.Jahrhunderts. Mit der Entstehung der Schachtanlagen im Bochumer Norden – Lothringen und Constantin – begann dann ein Run von Arbeitern aus ganz Deutschland und besonders aus dem Ausland auf unsere Region. Hohe staubqualmende Kamine, Seilscheiben, glühender Koks, giftgelbe Abfackelungen und weißgraue Löschdämpfe sättigten die Luft; und es wurde Geld verdient!
Ein Bauboom schaffte ab Ende der 10-ner Jahre des vorringen Jahrhunderts Häuser- und Siedlungsstrukturen in Hiltrop und Bergen, z.B. am Grümerbaum. Obwohl saniert und modernisiert wurde ihr Charakter als Zeuge der Bergbauära weitgehend erhalten.
Nach dem 2. Weltkrieg folgte der Wiederaufbau mit einem enormen Wohnungsbedarf. Zunächst Bergbaulager, dann folgten die Errichtung der Bergbausiedlung in Bergen mit über 200 WE und eine riesige Marshall-Plan-Siedlung (MSA) in Hiltrop.
Ende der 60-ger Jahre folgte mit den Zechenschließungen ein umfangreicher und harter Strukturwandel unserer Region. Mit der Stilllegung des Hiltroper 21,5 MW Kraftwerkes 1975 – symbolisch mit der Sprengung der Schlote – erfolgte in den Jahren danach der komplette Abriss der Zechenanlagen. Nach dem Neubau und die Inbetriebnahme des Hiltroper Block-Heiz-Kraftwerkes begannen dann die umfangreichen Sanierungsarbeiten der kontaminierten Flächen, die inzwischen weitgehend abgeschlossen sind. Grünzüge, Fuß- und Radwege auf den alten Bahntrassen, schmucke Altbausanierungen mit harmonischer Wohn- und Gewerbe-bebauung der Zechenbrachen sind inzwischen sichtbar und noch immer aktuell.
Die fast 90- jährige, markante und weit sichtbare Erlöserkirche thront symbolisch über Hiltrop und Bergen. Sie wurde 1927 festlich eingeweiht und ist mit der Gemeindetätigkeit von Pfarrer Heinrich Fortmann untrennbar verbunden. Vorher fanden die Gottesdienste in einem Betsaal an der Wiescherstraße statt.
In den letzten Jahren wurde die Kirche umfangreich repariert und von Grund auf saniert. Die enormen Kosten wurden im Wesentlichen durch Spenden aufgebracht. Der dafür verantwortliche Förderkreis ist inzwischen in der Stiftung Erlöserkirche Hiltrop aufgegangen, die den Erhalt der Kirche sichert.
Heinrich Fortmann war von 1913 bis 1948 in Hiltrop tätig und der erste Gemeindepfarrer der 1915 selbstständigen ev. Kirchengemeinde Hiltrop und Superintendent. Er gilt als der Erbauer der von 1925 bis 1927 errichteten Erlöserkirche. Bereits damals konnte die Kirche nur mit großer Unterstützung und Hilfe der aktiven Gemeinde fertig gestellt werden. Siehe hierzu die Bücher „Hiltrop im Wandel der Zeit“, Dokumente, Bilder und Berichte sowie „Hiltrop, Gestern und Heute“. |
Nur 200 m entfernt steht sichtbar „Am Hagenacker“ die heutige die St. Joseph- Kirche mit ihrem prächtigen Kreuzgang. Die rege rk St. Joseph- Gemeinde besteht seit 1921. Sie wurde inzwischen der rk St.-Elisabeth- Gemeinde in Gerthe angegliedert und ist Teil der Großgemeinde St. Liebfrauen. Das ehemalige neuapostolische Gotteshaus hinter der Hiltroper Sparkasse gelegen, ist inzwischen einer Begegnungsstätte der Ruhe und des Gedenkens für Trauernde, dem „Haus der Erinnerung“, gewichen.
Unterhalb der ev. Erlöserkirche, an den ÖPNV-Haltestellen der Buslinien, steht ein Erinnerungs-Denkmal „25 Jahre Krieger- und Landwehrverein Hiltrop (1884-1909)“ mit den Gedenktafeln für die Gefallenen des 1. Weltkrieges.
Der Blick richtet sich entlang der Dietrich-Benking-Straße über den Kreisverkehr und den REWE-Markt hinweg, auf das inzwischen sanierte, ehemalige Zechengelände Lothringen IV, zwei Hügel, die sogenannten Hiltroper Alpen. Unter ihnen verbergen sich – verdichtet und mehrschichtig isoliert – tausende Tonnen des einige Meter ausgehobenen kontaminierten Bodens der ehemaligen Zeche.
Der Höhere Hügel ist bis zu einem Aussichtsplateau begehbar und einem achteckigen Löschturm nachempfunden, der durch acht Pappeln auf dem Plateau symbolisiert wird. Den Aufgang ziert ein großes Rad eines Förderturms, eine sogenannte Seilscheibe. Von oben hat man eine gute Aus- und Übersicht auf die Nord-Region Bochums.
Wo ehemals Schlote, Industriegebäude, Schienenstränge, Stahlkonstruktionen, Rohre, giftgelbe Abgase, übel riechende Dampfwolken, Industrielärm und dunkelgraue Wohnhäuser das Umfeld bestimmten, blicken wir nun auf riesige fast idyllische Grünflächen mit inzwischen ansehnlicher, angepasster Randbebauung und auf erfolgreich sanierten Altbauten.
Von hier aus wird die Bergener- Straße mit dem 1993 eröffneten Senioren Zentrum „Jochen-Klepper-Haus“ sichtbar. Zu erkennen ist auch die Anfang der 50-ger Jahre fertig gestellte Bergener Bergbausiedlung, deren charakteristische Architektur und Siedlungsgestaltung – trotz Sanierungen und Umgestaltungen – weitgehend erhalten wurde.
Dietrich Benking war der letzte Gemeindevorsteher der früheren Gemeinde Hiltrop und Erbe des Grymer Hofes, der namentlich mit der Örtlichkeit „Grümerbaum“ in Verbindung steht. |
Ein Blick geht entlang dem Verlauf der Dietrich Benking-Straße in Richtung Grümerbaum. Hier entsteht auf dem ehemaligen Kalksandstein-Werk eine weitere kleine Siedlung namens „Hiltroper Wohnpark“ mit etwa 50 Wohneinheiten.
Im Weiteren folgen die sanierten Flächen der Kokerei Lothringen IV und links die Bergmannssiedlung, die um 1910 entstand; weiter östlich der Blick auf den Castroper Hellweg.
Mit der Stilllegung der Kokerei erfolgte der Abbruch des Gasometers, von dem noch das Wartungshaus erhalten ist. Im Rahmen des vierspurigen Ausbaus des Castroper Hellwegs wurde die Brücke der Lothringer Bahntrasse – zwischen Lothringen IV und V – entfernt, die Bahntrasse selbst zum Grüngürtel gestaltet. Die Fläche LothringenV der Gemarkung Hiltrop (ehemals Holzplatz/ Impränieranlage), wurde zum neuen Gewerbegebiet Gerthe- Süd – weitgehend in Hiltrop gelegen – saniert, gestaltet und ausgebaut.
Wahrzeichen für LothringenV war das ehemalige Maschinenhaus, das einzige Hochhaus in Bochum Nord. Es wurde umfunktioniert, diente bis
zur Sprengung als Wohnsilo und hieß wegen der Schießluken-Fenster im Volksmund einfach „Bunker“.
Noch weiter östlich in Richtung Gerthe, befindet sich das vor wenigen Jahren stillgelegte Straßenbahndepot, das 1908 erbaut und 1909 bereits erweitert wurde. Als Gründungsjahr der Kleinbahn-Gesellschaft Bochum-Gerthe-Harpen, wird das Jahr 1907 genannt. Sie kann als Vorläufer der BOGESTRA angenommen werden. Die straßenseitig gelegene ehemalige Direktorvilla und seit 1912 Verwaltungsgebäude der Straßenbahn ist heute – nach Sanierung – ein sehenswertes Gebäude. Auf dem gesamten Depotareal entsteht ein Gründerzentrum.
Gegenüber der Einfahrt verläuft der Schmale Hellweg, der nach 100 m die Paul-Müller-Straße erreicht. Die frühe Siedlung der Paul-Müller-Straße wurde auch Siedlung „Zur Gartenstadt“ genannt, die der Straßenbahn Gesellschaft zuzuordnen ist.
Dipl-Ing Paul Müller war bis 1912 Direktor der Kleinbahn Bochum-Gerthe-Harpen und von 1912 – 1925 Generaldirektor der Westfälischen Straßenbahn. Er wurde auf dem Hiltroper Friedhof beigesetzt. Sein Grabstein befindet sich gleich am Haupteingang des Hiltroper Friedhofs. |
Im weiteren Blickfeld schließt die Frauenlobstraße (Meistersinger Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob) ehemals Freiligrathstraße an und folgt weiter über den Finkensiepen durch die MSA-Siedlung (Marshall-Plan-Siedlung) in den Hiltroper Busch.
Der Hiltroper Busch – zwischen 1930 und 1933 von Erwerbslosen und Pflichtarbeitern der Stadt Bochum hergerichtet – mit seinem parkähnlichen Charakter, seinen zahlreichen Wasserquellen (über viele Jahre wegen der hohen Wasserqualität gerne als Trinkwasser verwendet, heute wegen gesundheitsschädlichen Belastungen ungenießbar) und dem alten Baumbestand hat bis heute seinen hohen Freizeit- und Naherholungswert im Bochumer Norden erhalten können. Bis in die 50-ger Jahre wurden in der Parkanlage noch ein Schwimmbad und ein sehr beliebtes Kaffeehäuschen betrieben.
Mit der Umgestaltung wurde der Badebetrieb eingestellt und das Kaffeehäuschen abgerissen. Dank neuer Erkenntnisse der Ökologie und bei der Landschaftsgestaltung wurde der Volkspark in den vergangenen Jahren saniert und neu gestaltet. Es entstand eine gelungene Komposition aus Biotopen und Freiräumen für die Tier- und Pflanzenwelt, einem beliebten Spiel- und Freizeitbereich und der Um- und Ausgestaltung des Ostbaches mit Wasserrückhaltung.
1922 fand auf dem neuen Friedhof die erste Beisetzung durch Pfarrer Fortmann statt. Bis dahin fanden die Verstorbenen aus Hiltrop und Bergen in Herne ihre letzte Ruhe. |
Zurzeit wird die Idylle allerdings durch das zur Wasserreinigung benötigte Betriebsgebäude gestört, das den Spielplatzbereich stark schmälert.
Der angrenzende, weitläufige Friedhof bietet einen Ort der Stille.
Am Morgen des 8. August 1912 erfolgte eine Schlagwetterexplosion auf der Schachtanlage Lothringen 1/2 in Gerthe, bei der 117 Bergleute ums Leben kamen und viele schwer verletzt wurden. Sie stürzte die Bevölkerung im Bochumer Norden in tiefe Trauer.
Aus Anlass eines der schwersten Unglücke, das den deutschen Bergbau je getroffen hatte, wurde über der Unglückstelle im Hiltroper Busch eine Gedenktafel errichtet. Das Unglück ereignete sich genau in 325 m Tiefe an der Position der Gedenktafel.
Auf dem Gerther Friedhof befindet sich ein großes Bergwerksdenkmal für die verunglückten Bergleute, an dem jährlich eine Gedenkfeier stattfindet.
Der Hiltroper Kommunalfriedhof ist die integrierte Fortführung des Hiltroper Busches. Von der Bergmanns-Gedenktafel geht der Blick über den Hiltroper Friedhof zur Frauenlobstraße oder zur Straße „Auf dem Hundell“.
Vom Hiltroper Kirchturm blickt man direkt auf die um 1915 errichtete Frauenlobschule (die ersten Schulen gab es zuvor im Dorf Hiltrop und an der Wiescherstraße) und schräg gegenüber – in Höhe der Erlöserkirche – auf das erhaltene Fachwerkhaus „Schulte-Hiltrop“ aus dem Jahre 1822.
Um 90 0 nach links versetzt, blickt man ins eigentliche Dorf Hiltrop mit den Straßen Fortmannweg, Im Dorf Hiltrop, Auf dem Hundell, Im Brennholt und Wiescherstraße, der Straße, die nach Herne führt.
Viele der alten Häuser wurden beim Bombenangriff im 2. Weltkrieg zerstört, andere umgebaut, erneuert oder abgerissen.
Gasthaus Hubbert, heute Steakhaus bei „Dragan“
Alte Schmiede
Grundlage dieser Ausarbeitung ist der Beitrag von Hans-Friedel Donschen in dem KlartextVerlag im erschienenen Buch „Bochum entdecken“.